Der Grenzübertritt verlief problemlos. Um 16 Uhr in Protopopovka angekommen, wurde die Lüfterwelle unverzüglich ein
gebaut. Schon um 20 Uhr lief der Backofen und 23 Uhr begann der Backbetrieb. Das Kinderheim und das Rehabilitationszentrum hatten genau wie unsere Kunden und auch wir selbst, sehnlichst auf frisches Brot gewartet!
In dieser Zeit konnten wir ganz neu feststellen, dass die Bäckerei – auch wenn sie kein wirtschaftlicher „Knaller“ ist – ein wichtiger Bestandteil dieser Arbeit hier ist und daher nicht fehlen sollte. Sergej, ein ehemaliger Rehabilitand aus dem Zentrum „Arche“ in Alexandria, unsere kleine Maria, welche eigentlich viel zu klein ist, um den Ofen zu bestücken und Valentina halten den Backbetrieb aufrecht.
Nur Notlauf möglich!
Während der Zeit der Pandemie hielten wir uns an die vorgeschriebenen Regeln und unterstützten unser Immunsystem, wie sonst auch, mit vielen Vitaminen, noch mehr Knoblauch, Kurkuma und ganz viel Gebet. Trotz dieser „Maßnahmen“ erlitten wir beide eine schwere Virusinfektion. Innerhalb von Stunden war alle Energie verbraucht. Für fast drei Wochen lebten wir kraft- und antriebslos. Trotzdem mussten wir weiterhin auf dem Grundstück nach dem Rechten sehen und präsent bleiben. Das bedeutete konkret, frühmorgens aufstehen, alle offenen Fragen regeln und auch immer wieder tagsüber ansprechbar sein. Dieser Zustand hat uns viel abverlangt. Oft waren wir schon nach wenigen Schritten durchgeschwitzt. Ganz bewusst verzichteten wir in dieser Zeit auf den medizinischen Dienst der Ukraine. Jetzt sind wir dankbar, dass es uns beiden wieder gut geht. Wir spüren, wie neue Kraft und der gewohnte Elan zurückkehren. Es ist immer gut und beruhigend zu wissen, in jeder Lebenslage in Gottes Hand zu sein.
Unsere Weihnachtsaktion 2020
Vielen Dank an alle Spender, die speziell unsere Weihnachtsaktion unterstützt hatten. Leider verlief di
ese Aktion nicht wie geplant und an vielen Stellen musste improvisiert werden. Von staatlichen Behörden wurde uns alle Unterstützung zugesagt, welche entsprechend der Coronaregeln möglich war. Leider erhielten wir für die geplanten Weihnachtsgottesdienste keine Erlaubnis. In einer nachträglichen Reflexion konnten wir allerdings erkennen, dass die Einzelgespräche viel wertvoller für die alten und armen Menschen waren. So war dann vor allem Gabi mit einer Helferin aus unserem Dorf im Altenheim unterwegs und sie haben Lebensmittel, kleine Geschenke, Herzlichkeit und Wärme zu den alten Menschen gebracht.
Uns wurde große Dankbarkeit von den Senioren zuteil, nicht nur für die Hilfe, sondern auch für die Aufmerksamkeit, die wertvollen Gespräche und für das Gefühl, nicht vergessen zu sein. Besonders in den Heimen und Katen herrscht oftmals so eine starke Einsamkeit und Hoffnungslosigkeit. Wie ermutigend ist da ein Gespräch, eine kleine Aufmerksamkeit, etwas Zuwendung. Wie wichtig ist in dieser Situation Gottes Wort und besonders die erlösende Botschaft von Weihnachten! Ein Licht, das die Welt erhellt.
Wir wiederum freuen uns sehr über Anjas Entwicklung. Sie lernt bereitwillig und fängt nun so langsam an, die ihr angebotenen Annehmlichkeiten auf der Basis zu nutzen. Wir erkennen das immer sofort, wenn die Angestellten regelmäßig nach ihrer Schicht duschen und auch ihre Arbeitskleidung zum Waschen abgeben. Jetzt ist der erste Schritt getan und wir wollen sie gerne weiter auf ihrem Weg begleiten.
Krieg im Osten
Unsere Reise in das Kriegsgebiet mussten wir nun schon zum dritten Mal verschieben!
Im Moment warten wir auf eine Zusage unserer Freunde vor Ort, denn sie können die Lage und das Risiko besser einschätzen. Für eine „offizielle Einschätzung“ gibt es eine staatliche Einteilung in verschiedene Gefahrenzonen. Aus erster Hand wissen wir, dass die Kampfhandlungen wieder intensiviert werden. Viele Menschen dort werden zum Spielball der Politik gemacht. Sie fürchten, dass die russische Armee einmarschiert und alles überrollt. Sina berichtet uns immer von der aktuellen Situation. Gestern erst schrieb sie uns: „Krieg war ja schon immer und es war immer gefährlich, aber jetzt fühlt es sich noch intensiver an. Der Garten muss bestellt werden, das ist nicht einfach, wenn die Granaten über die Köpfe hinwegpfeifen.“ Gregoris Gesundheitszustand hat sich weiter verschlechtert. Für Medikamente muss seine Frau Sina, auf die ukrainische Seite kommen, weil es im Separatistengebiet fast nichts zu kaufen gibt.
Wir stehen weiterhin mit der Missionarsgruppe um Peter Dutnik in Verbindung. Von ihnen erhalten wir immer die aktuellen Neuigkeiten. Die Kartoffeln der letzten Ernte waren schnell verteilt. Bei so einem langen Frontabschnitt und so vielen hilfsbedürftigen Menschen ist das nicht verwunderlich. Mit welcher Hilfe wir dieses Jahr die Menschen im Frontgebiet unterstützen können, beraten wir zeitnah mit unseren Freunden in Slaviansk. Besonders die Teuerung der Grundnahrungsmittel stellt eine große Herausforderung für die Bevölkerung dar. Durch die schlechten Ernte im Jahr 2020 und den Krieg verdoppelten sich die Preise für Speiseöl und Mehl.
Selbsthilfeprojekt
Der Name klingt immer etwas trügerisch! Es ist bei weitem nicht so, dass dieses Projekt sich selbst hilft! Nein, immer wieder sind wir da voll gefordert! Im Moment vereinnahmt dieses Projekt auch den größten Teil unserer Kraft- und Zeitressourcen. Dieser Zustand liegt darin begründet, dass immer wieder neue Menschen zu uns kommen. Die Meisten von ihnen locken die angebotenen Hilfeleistungen und sie sind im Gegenzug nicht bereit, etwas dafür zu tun. Uns bleibt nichts anderes übrig, als immer wieder neue Leute anzulernen, einzuweisen und ihre Arbeit zu kontrollieren. Umso mehr freuen wir uns mit den Angestellten, die zu Stabilität finden und bereit sind, Verantwortung für ihre Arbeit zu übernehmen. Doch leider ziehen oftmals die Mitarbeiter, die zu „Leistungsträgern“ geworden sind, weiter und versuchen mit ihren neuen Qualifikationen in der großen weiten Welt mehr Geld zu verdienen.
Gerne geben wir euch ein paar Beispiele:
Lena Ribakon: Sie begann als Hilfskraft im Stall, wechselte dann in den Küchenbereich in Verantwortung. Sie qualifizierte sich zur Buchhalterin und arbeitete acht Jahre bei uns im Betrieb. Jetzt ist sie in Polen und arbeitet in der Fleischverarbeitung.
Lena Weiß: Sie wurde eingestellt als Gartenhilfskraft. Später war Lena Leiterin unseres Küchenbereichs. Jetzt arbeitet sie in Polen in einem Elektronikwerk.
Bäcker Felix: Felix hat mit 18 Jahren bei uns angefangen. Er war über 10 Jahre bei uns in der Bäckerei, teilweise als Chef und hat nebenbei auf dem Bau noch dazu verdient. Jetzt hat er sich mit einer kleinen Baufirma selbstständig gemacht.
Bäcker Roman: Roman kam aus dem Rehabilitationszentrum. Nach seiner erfolgreichen Rehabilitation war er für zwei Jahre Bäcker bei uns. Als er dann mit beiden Beinen wieder im Leben stand, fand er eine Frau, heiratete sie und ist mit ihr weggezogen.
Viktor: Viktor war jahrelang Alkoholiker, keiner wollte ihn haben! Nachdem er frei wurde, hat er 7 Jahre bei uns gearbeitet und ist danach zu einer großen landwirtschaftlichen Firma gewechselt. Jetzt trägt er Verantwortung für einen Mähdrescher von John Deere.
Die Liste könnten wir noch lange fortsetzen! Wir wollen nicht stöhnen, noch uns beschweren, denn für diesen Dienst sind wir ja in die Ukraine gekommen! Die Veränderung der Menschen ist auch ein Stück Beweis dessen, wie wichtig und sinnvoll unsere Arbeit ist.
Was wäre aus den Menschen geworden? All solche Fragen sind reine Spekulation. Wir freuen uns mit jedem einzelnen von ihnen und sehen auch mit einem tränenden Auge all die Namen, die es nicht geschafft haben oder es nicht schaffen wollten. Umso dankbarer sind wir für jeden Arbeitsbereich, wo ein oder zwei Personen arbeiten, die aus ihrem alten Leben ausgestiegen sind und sich nach Neuem und Förderung ausstrecken.
Wir entscheiden uns immer wieder neu und bewusst, in die Menschen hier zu investieren. Mit Gottes Hilfe, seiner Kraft und seinem Beistand und mit EUCH als Freunde und Unterstützer dieser Arbeit wollen dies auch weiterhin tun.
Seid lieb gegrüßt und gesegnet aus der Ukraine!
Achim und Gabriele