Liebe Freunde, Beter und Unterstützer der Arbeit hier vor Ort!
Wir grüßen Euch alle herzlich aus dem Herzen der Ukraine!
Unsere Jahreshauptversammlung ist nun schon ein paar Wochen her und das Jahr neigt sich dem Ende. Es ist also allerhöchste Zeit, dass wir uns auch in schriftlicher Form wieder einmal melden. Viele von Euch haben sich ja für unsere täglichen Nachrichten angemeldet und sind so auf dem neusten Stand der Dinge.
Bevor ich nun aber noch einmal das Wichtigste der letzten Monate zusammenfassen will, möchte ich mich bei Euch Allen herzlich bedanken. Wir erhielten viele mutmachende Nachrichten, Infos über Gebetsgruppen, die die Ukraine besonders im Herzen tragen, Spenden, Briefe und sogar kleine Päckchen haben den Weg zu uns gefunden. Dafür danken wir Euch Allen! Nur durch Gottes Gnade und eurer Unterstützung können wir hier diesen Dienst ausfüllen. In den Stunden, wo es echt schwierig ist und man eigentlich nur noch „nach Hause“ möchte, besinnen wir uns auf all diese Unterstützungen, erleben Freude und neue Kraft.
Situation im Land
Wirtschaftlich gesehen, kann man sagen, dass sich die Lage in der Ukraine stabilisiert hat. Natürlich gibt es immer wieder Engpässe und auch Teuerung. Kraftstoffe kann man fast immer an den Tankstellen kaufen. Die Medikamente in den Apotheken sind vorhanden und auch die Supermarktregale sind gefüllt. Es gibt eben nicht immer alles, aber keiner braucht zu hungern, solange er das nötige Kleingeld hat. Und da beginnen die Schwierigkeiten. Viele Betriebe produzieren nicht mehr, oder nur noch reduziert. Staatliche Angestellte warten viele Wochen auf ihren Lohn und werden dann noch mit einer „freiwilligen“ Kriegsabgabe belegt.
Viele Männer wurden einberufen und werden zum Kriegsdienst herangezogen. Etliche von ihnen sind schon gefallen oder verwundet. In den Städten und Dörfern entstehen „Heldenfriedhöfe“, denn auf jedem Grab eines gefallenen Soldaten weht die ukrainische Fahne. Wenn ich in die Stadt fahre, komme ich immer am Koristovkajer Friedhof vorbei. Es bedrückt mich sehr, wie schnell sich das Fahnenmeer erweitert. Es stehen immer ganze Familien und einzelne Schicksale dahinter.
Da hat es uns auch besonders betroffen gemacht, als wir einen Schulkameraden von Helenas Klasse die letzte Ehre erwiesen und ihn auf seinem letzten Weg begleitet haben. Auf der anderen Seite sind auch noch viele Männer in der Stadt zu sehen. Verkäufer, Bauarbeiter, Beschäftigte bei Elektro- und Gasversorgung und natürlich die Eisenbahner.
Unsere häusliche Situation
Seit Beginn des Krieges haben wir unsere Herzen und Türen für flüchtende Menschen aufgemacht. In diesen Monaten beherbergten wir viele Menschen. Die einen sind nur für eine Nacht da gewesen, andere sind Wochen geblieben. Die letzten drei in unserem Haus sind ein Ehepaar aus Bachmut und ein Mann aus Charkow - alle Mitte bis Ende der siebziger Jahre. Letzterer hat gerade beschlossen, wieder in seine alte Heimat zu gehen und bereitet seinen Umzug vor. In den letzten Monaten hat sich doch allerlei Hausrat angesammelt. Nun sind Nikolay mit seiner Frau bei uns erst einmal die letzten Flüchtlinge. Wer flüchten wollte und es auch konnte ist gegangen, wer nun noch im Kampfgebiet ist, der will oder kann nicht von dort weg. Im Rehahaus wohnen neun Personen aus dem Donezker Gebiet. Eine Großfamilie hat dort Unterkunft gefunden und ist im Moment damit sehr glücklich.
Situation in unserem Selbsthilfeprojekt
Unser Projekt ist gerade weit davon entfernt, sich selbst zu helfen - so wie es eigentlich im Namen steckt. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Zum einen sind Verkaufspreise für Feldfrüchte total eingebrochen. Da die Ware nicht weitertransportiert werden kann, besteht im Land ein Überschuss an Getreide und Sonnenblumen. Wie in Europa auch, sind die Preise für Diesel, Dünger, Ersatzteile, Herbizide usw. mächtig angestiegen. So kostet in der Ukraine der Diesel nun auch schon 1,40 Euro, das ist für hier schon gewaltig! Aber dank der guten Unterstützung aus Deutschland können wir diese Situation gut abfangen und sogar unsere Brotaktion bis zum heutigen Tag weiterführen. Die Menschen sind sehr dankbar. Besonders das kleine runde 250 Gramm Brot ist sehr gefragt. Für Alleinstehende ist es besonders günstig, da es gerade so für einen Tag reicht. Da backen wir jede Nacht schon über 300 Stück. Wir verkaufen das Brot dank eurer Hilfe für 12 Cent, das große Brot entsprechend für 24 Cent. Die drei Frauen in der Bäckerei sind dann schon oft herausgefordert, alle Bestellungen abzuarbeiten. Gott sei Dank hat uns bis zum heutigen Tag die doch nun schon etwas ältere Technik nicht im Stich gelassen bzw. war immer wieder reparabel. Gerade in den letzten Tagen habe ich mir Zeit genommen, um aufgeschobene Reparaturen, sowie Renovierungs- und Pflegemaßnahmen auszuführen. Umso mehr kostete uns das interne Personalkarussell Kraft und Zeitressourcen. Im Frühjahr legten einige Mitarbeiter aus Küche und Stall die Arbeit nieder. Das bedeutete für uns wieder neue Personen anzulernen, kontrollieren und erklären. Durch die Flüchtlingswelle und EU-Grenzöffnung sind die nun noch verfügbaren Personen als bildungsfern zu bezeichnen. Diese Situation hat uns fast an die Leistungsgrenze gebracht. Erst im Spätsommer hat sich die Lage stabilisiert und von vier Arbeitern sind bereits drei auf ihren alten Posten zurückgekehrt. Die „Rückkehrer“ bringen die Erfahrung mit, dass ein Angestelltenverhältnis bei uns gar nicht so schlecht ist. Es ist gerade in diesen Zeiten nicht zu verachten, wenn man offiziell angestellt wurde, das versprochene Gehalt pünktlich gezahlt wird und auch in allen Alltagsfragen und Problemen auf Hilfe, Rat und Beistand zurückgegriffen werden kann. Unseren Iwan deklarierten wir unlängst als unseren stellvertretenden Leiter. Damit ist er in der Einberufungsklasse wieder etwas zurückgefallen und wir haben die Hoffnung, dass wir drei Männer die Sachen hier auf dem Hof regeln können. Anatoli ist mein Traktorist und er ist genau wie wir schon über 60 Jahre und damit auch vom Kriegsdienst befreit.
Weihnachtsaktion und Hilfeleistungen
Wie auch im letzten Jahr werden wir dieses Jahr auf eine spezielle Weihnachtaktion verzichten. Die tägliche Routine lastet uns voll aus. Die Kriegsbrotaktion läuft unentwegt weiter. Wir sind dankbar, dass hierfür im Moment die erforderliche Unterstützung gewährleistet ist. Solange sich daran nichts ändert, wollen wir diese Arbeit auch gerne weiterführen. Wie gehabt erhalten das Kinderheim und Rehabilitationszentrum ihr Brot weiterhin kostenlos. Das Rehabilitationszentrum holt noch regelmäßig Futter für ihre Kühe bei uns ab. Darüber hinaus haben wir auch verschiedene medizinische Behandlungen übernommen und Medikamente bezahlt. Ganz besonders am Herzen liegen uns die Soldaten, welche wir persönlich kennen. Wir tragen sie im täglichen Gebet und helfen auch dort, wie es möglich ist.
Was uns noch wichtig ist!
Wir sehen uns hier als Anker, Helfer und Tröster für viele Menschen. Nicht nur für die, welche mit uns hier arbeiten, sondern durch die Verkaufsstellen haben wir auch viel Kontakt mit Menschen in der Stadt. Für viele ist es nicht zu verstehen, dass wir hier sind, wo doch andererseits so viele Ukrainer jetzt irgendwo hinter der Grenze im Westen sind.
Wir rufen immer wieder zur Buße und zur Umkehr auf. Wir beten für unsere Länder, mit denen wir verbunden sind, besonders für alle, die Verantwortung tragen. Wir hoffen auf Einsicht, neue Orientierung und das unser Fundamt die Bibel bleibt oder wieder wird. Da wir keine natürliche Lösung für einen Frieden sehen, beten wir um das Wunder des Friedens, für Erkenntnis und Einsicht bei den Entscheidungsträgern.
Gerade in der jetzigen Zeit sind uns viele Verse und Lieder aus der Kinder- und Jugendzeit ganz neu bewusst geworden und oft erkennen wir staunend, welche tollen Lieder wir schon damals gesungen haben.
Euch allen wünschen wir eine besonders gesegnete Advents- und Weihnachtszeit!
Für uns alle sage ich: 1. Ehre sei Gott in der Höhe
2. und Frieden auf Erden
und dann 3. dem Menschen ein Wohlgefallen!
In diesem Sinne grüßen wir euch alle recht herzlich aus Protopopovka!
Achim und Gabriele Döbrich
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